Ein Katalysator aus Nanopartikeln beschleunigt eine lange bekannte Reaktion, mit der Methan entsteht. Das könnte helfen, überschüssige Solar- und Windenergie im bereits vorhandenen Erdgasnetz zu speichern.

Auf zweieinhalb Seiten, in etwas mehr als siebenhundert Wörtern, beschrieben 1902 die französischen Chemiker Sabatier und Senderens, wie sie aus Kohlendioxid und Wasserstoff Methan herstellten1. Die Reaktion war damals zwar schon bekannt, neu war die Idee Nickel als Katalysator zu verwenden. Dadurch reichen geringere Temperaturen und es entstehen keine unerwünschten Nebenprodukte. Auch andere Metalle haben diese Fähigkeit, sind aber meist teurer oder weniger effektiv.
Seitdem haben sich zehntausende wissenschaftliche Arbeiten mit dem Thema befasst. Das Interesse ist bis heute groß. Für die Effizienz gilt generell: je größer die Kontaktfläche der reagierenden Stoffe mit dem Katalysator ist, desto effektiver arbeitet dieser. Gesucht ist eine stabile Struktur mit vielen Poren und vielen Atomen des aktiven Materials, in diesem Fall Nickel. Hier setzen Malte Behrens und sein Team an der Universität Kiel an. In einem von der DFG geförderten Forschungsprojekt haben sie es geschafft, besonders viel Nickel – bis zu siebzig Prozent der Gesamtmasse – mit Magnesiumoxid zusammenzupacken und zwar so, “dass sie in Form von kleinen Nanopartikeln miteinander verheiratet sind”, wie Behrens das beschreibt.
Anders als beim Autokatalysator braucht dieses Material kein Gerüst auf das es aufgetragen wird. Das Magnesiumoxid hält die Nanostruktur aufrecht und stabil, auch noch bei dreihundert bis vierhundert Grad, und die Nanostruktur erlaubt einen hohen Kontakt zwischen Gasgemisch und Katalysator. “Diese nanoskalige Struktur ist entscheidend”, sagt Doktorandin Anna Wolf. Ein Gramm des Materials passt in einen Fingerhut, versteckt darin aber mehr als zweihundert Quadratmeter Oberfläche. So produziert das neue Material bis zu viermal so viel Methan wie ein industrieller Vergleichskatalysator2.

Wozu eigentlich noch Methan?
Methan, der Hauptbestandteil von Erdgas, wird vor allem als Energieträger benutzt. Zwar wird wird Methan in der Industrie auch anders verwendet, aber “Methan ist normalerweise Ausgangsstoff und nicht Produkt in der Chemie”, so Behrens. Er sieht die Nutzung woanders.
Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, fehlt im deutschen Energiemix fast die Hälfte des Stromes (45 Prozent)3. Diese Situation, von manchen Dunkelflaute genannt, verursacht verständlicherweise bei vielen VerbraucherInnen Ängste vor winterlichen Stromausfällen. Von Sonne und Wind kann man im Gegensatz zu Kohle, Öl oder Gas keinen Vorrat anlegen. Daher ist eine erfolgreiche Energiewende auf genügend Speichermöglichkeiten angewiesen. Auch im fossilen Stromnetz wird mit Speichern die Versorgung stabilisiert, aber die Schwankungen bei Sonnen- und Windenergie erfordern wesentlich mehr Kapazität.
Bisher kommen vor allem Pumpspeicherkraftwerke zum Einsatz. Auch Lithiumionenakkus, heißes Wasser oder geschmolzenes Salz können große Mengen Energie speichern. Eine weitere Möglichkeit ist, mit überflüssigem Strom Wasserstoff herzustellen. Der kann zwar gelagert werden, die Handhabung des Gases ist aber nicht einfach. Eine gute Übersicht über die Gründe dafür liefert Wikipedia. Erdgas hingegen wird seit über hundert Jahren gespeichert, quer durch die Kontinente transportiert und sicher verbraucht, ein umfangreiches Netz aus Versorgungsleitungen und Speichern ist da. Und mit der Reaktion von Sabatier und Senderens lässt sich Wasserstoff in Erdgas bzw. Methan umwandeln.

Das klingt natürlich umständlich: erst Wasserstoff herstellen, dann daraus Methan machen, um dieses später wieder zu verbrennen. Das kann aber wegen der schon bestehenden Infrastruktur sinnvoll sein, wenn die Herstellung billig ist. Vereinfacht sieht die Idee für Behrens daher so aus, dass man “salopp gesagt, jedes Windrad mit einem kleinen Elektrolyse- und Methanisierungskraftwerk ausstattet.” Das Methan kann dann direkt ins Netz gespeist und an anderer Stelle verbrannt werden. Das ist dann sogar klimaneutral, zumindest wenn kein Methan auf dem Weg verloren geht.
Jetzt soll der Katalysator erst einmal im Dauerbetrieb getestet werden. Das ist an der Universität Hamburg geplant, da kann so ein Experiment schon mal hundert Stunden laufen, ohne es permanent zu überwachen. Wenn der Stoff sich bewährt, wären Tests mit einem Industriepartner der nächste Schritt. Außerdem will Behrens den gleichen Katalysator in anderen Reaktionen ausprobieren, denn “mit Nickel kann man alles mögliche hydrieren”, wie er sagt.
Übrigens kommt die Veröffentlichung von Anna Wolf, Malte Behrens und den fünf weiteren KollegInnen mit der Beschreibung der Katalysatorherstellung, allen Messungen und Vergleichen übrigens auf elf Seiten, achttausend Wörter, achtundzwanzig Bilder und Grafiken sowie eine Tabelle.
©Niko Komin (@kokemikal)
Quellen
